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Herausforderungen und Chancen der Schuldemokratie: Erfahrungen aus Georgien und Deutschland

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Demokratie in der Schule: Herausforderungen und Perspektiven der schulischen Selbstverwaltung
Nene Khvichia. eine georgische Klassensprecherin (Foto: privat)

Was ist Demokratie? Auf diese Frage scheint jeder eine Antwort zu haben. Im 21. Jahrhundert ist dieser Begriff mit seinen vielen Bedeutungen allgegenwärtig. Müssten wir eine allgemeingültige Definition finden, würden wir wahrscheinlich bei der Semantik des Wortes selbst anfangen und sagen, dass es sich um Volksherrschaft handelt.

Doch Demokratie ist eindeutig mehr als nur eine Regierungsform. Aus meiner Sicht als Schülerin bedeutet Demokratie Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit und vieles mehr. Solche Interpretationen führen uns weit, aber wir können daraus schließen, dass wir genau das wollen und danach streben.

Obwohl dies den Jugendlichen der Europäischen Union zutiefst vertraut ist, ist es für mich als Georgierin, deren Land erst vor 30 Jahren seine Unabhängigkeit erlangte, eine Chance, die es weise zu nutzen gilt.

Viele verbinden Demokratie nur mit Staat, Regierung und Politikern, obwohl Demokratie in allen menschlichen Gemeinschaften – Familie, Freundeskreis, Schule und anderen – verankert sein sollte. Für mich als Schülerin ist es sehr wichtig, dass all dies in meiner Umgebung und in der Schule gelebt wird.

Auf den ersten Blick scheinen Schule und Demokratie zwei getrennte Konzepte zu sein, doch eine Schule ist eine Institution, die auf demokratischen Werten basiert. Das spiegelt sich in jedem Schritt des Lernprozesses wider, auch in der Schulverwaltung, in die Schülerinnen und Schüler heute eingebunden sind.

Ich hatte die Möglichkeit, sowohl als gewählte Vertreterin meiner Schule als auch als ganz normale Schülerin Erfahrungen zu sammeln. Diese zwei Perspektiven – ergänzt durch Gespräche mit anderen Mitschülerinnen und Mitschülern – helfen mir, die Herausforderungen der schulischen Selbstverwaltung differenzierter zu betrachten.

Demokratie in der Schule: Herausforderungen und Perspektiven der schulischen Selbstverwaltung
Misho Grigalashvili, georgischer Schüler (Foto: privat)

Man kann sagen, dass die Schulselbstverwaltung Schüler*innen die Möglichkeit bietet, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und schon früh zu lernen, sich in die Gestaltung ihrer Gesellschaft einzubringen. Es wäre nicht überraschend, wenn theoretisch gute Ideen auch in der Praxis nicht gut funktionieren würden – aber ist das so in diesem Fall?

Um objektive Aussagen über die demokratische und effektive Schulselbstverwaltung treffen zu können, ist es notwendig, diese aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, beispielsweise aus der Perspektive der Schüler und der Schulsprecher.

Ich habe mit Mitschülerinnen und Mitschülern aus Georgien und Deutschland gesprochen – mit und ohne Vertreterrolle. Ihre Antworten zeigen, dass Probleme oft ähnlich sind, auch wenn die Systeme unterschiedlich erscheinen.

Georgische Klassensprecherin und Autorin Tekla Jghamadze
Georgische Klassensprecherin und Autorin Tekla Jghamadze (Foto: privat)

Für mich als Schülerin ist es sehr wichtig zu wissen, dass meine Wahl eines Klassensprechers sinnvoll und unvoreingenommen ist. In Georgien gibt es trotz des scheinbar formal einwandfreien Systems eine Reihe von Hindernissen, die auf komplexe Probleme hinweisen. Nicht überall, aber in vielen Klassen wird dem sehr gleichgültig begegnet. Vielen ist es egal, wer ihre Klasse in der Schulselbstverwaltung vertritt, da sie wissen, dass sich ohnehin nichts ändern wird.

Diese Vorstellungen, die mehr oder weniger im Bewusstsein eines jeden von uns verankert sind und sich zeitweise in unseren Einstellungen widerspiegeln, sind eindeutig auf bestimmte Voraussetzungen zurückzuführen. Jugendliche, die zur Schule gehen, um ihre Pflichten zu erfüllen, und sich voll und ganz auf das Sozialleben konzentrieren, sind sich der bürgerlichen Verantwortung, die ihnen schon im Schulalter obliegt, nicht voll bewusst.

Wenn ein großer Teil der Bevölkerung die Teilnahme an Parlamentswahlen als Zeitverschwendung betrachtet, weil sie glauben, ihre Stimme habe keine Bedeutung, ist es schwierig, von Jugendlichen zu verlangen, dass sie ihre innere Verantwortung voll und ganz verstehen und ihren Beitrag leisten – auch durch eine bewusste Stimmabgabe.

Man kann sagen, dass die oben genannten Probleme, die meiner Meinung nach nicht unmittelbar mit demokratischen Wahlen in der Schulselbstverwaltung zusammenhängen, mit einem viel komplexeren Problem verbunden sind. Was den Wahlprozess der Schulselbstverwaltung selbst betrifft, kann ich mit Sicherheit sagen, dass jeder Schritt, angefangen beim Schutz der Anonymität bis hin zur Versiegelung der Stimmzettel, demokratisch durchgeführt wird. Als Schülerin habe ich bei ähnlichen Wahlen am Wahlschutzprozess teilgenommen und kann bestätigen, dass dieser wirklich fair ist.

Obwohl der Wahlprozess in Georgien sehr transparent ist, unterscheidet sich das deutlich von der Situation in Deutschland.

Deborah, eine deutsche Schülerin, sagte dazu: „Wir wählen, aber uns wird nicht gezeigt, wie die Stimmen ausgewertet werden. Wer zählt die Stimmen?“ Auf den ersten Blick ist es kein großes Problem, aber warum sollen die Jugendliche nicht wissen, wie man die Stimme zählt?

Ein weiteres großes Hindernis in Georgien ist der Mangel an Ressourcen bei der Umsetzung von Projekten. Auch ich habe als Klassensprecherin erlebt, wie viele gute Ideen an fehlenden finanziellen Mitteln scheiterten. Dieses Problem ist hochaktuell für die staatlichen Schulen, die nicht so riesige Budgets für Projekte haben. Nene Khvichia, ein georgischer Schüler sagte dazu: „Eine der wichtigsten Herausforderungen in Georgien ist der Mangel an Ressourcen bei der Umsetzung von Projekten.“

Ähnliche Probleme sind typisch für Entwicklungsländer, deren wirtschaftliche Lage nicht so stark ist, was man von Deutschland nicht behaupten kann.

Trotz der unterschiedlichen Systeme stehen sowohl georgische als auch deutsche Schulen vor ähnlichen Herausforderungen – zum Beispiel bei der Kommunikation. Es ist schwer, Kompromisse zu finden, wenn alle unterschiedliche Meinungen haben. Klassensprecher stehen immer vor der Herausforderung, diese Meinungen auszugleichen. Doch genau das gehört zu ihrer Rolle: solche Situationen zu lösen. Aber die kommunikativen Schwierigkeiten hören damit nicht auf.

Georgische und deutsche Klassensprecher betonten, dass eine bessere Verbindung zwischen der Schulleitung und der Schülerschaft wünschenswert wäre – basierend auf geteilten Interessen und gegenseitigem Respekt.

„Außerdem könnte die Kommunikation zwischen Schülervertretung, Schülern und Lehrern noch besser werden.“

  Soufia, deutsche Klassensprecherin

„Ich würde mir mehr Unterstützung von der Schulleitung wünschen, um die Ideen der Schüler wirklich umzusetzen.“

 Nene Khvichia, georgischer Schüler

Ein weiteres Problem ist, dass Schülerinnen und Schüler sich nicht immer trauen, ehrlich über Schwierigkeiten mit der Schulleitung zu sprechen. Ich erinnere mich an eine Umfrage, die gemeinsam mit der Schülervertretung durchgeführt wurde. Wir sollten dabei unsere Probleme benennen. Obwohl kein direkter Druck herrschte, hielten wir unser Feedback sehr allgemein. Wir wussten genau, was die Probleme waren, aber aus nachvollziehbaren Gründen sind wir nicht ganz ehrlich gewesen.

Aber wie lassen sich diese Probleme lösen? Meiner Meinung nach könnten viele dieser Herausforderungen durch eine effektivere Zusammenarbeit von Schulverwaltung und Schülervertretung gelöst werden. Zum Beispiel durch regelmäßige Treffen, bei denen nicht nur Klassensprecher, sondern auch andere Schüler ihre Meinung äußern können. Doch manche Probleme, besonders in Georgien, sind kaum auf lokaler Ebene lösbar – etwa die mangelnde demokratische Bildung in der Gesellschaft. Aber Aufgeben und bloßes Klagen bringt uns nicht weiter.

Deshalb halte ich praktische Aktivitäten für wesentlich effektiver als theoretische Schulungen. Sie vermitteln keine abstrakten Inhalte, sondern fördern echtes Verantwortungsbewusstsein, das im Alltag Anwendung findet.

Trotz aller Herausforderungen lässt sich nur schwer sagen, ob die Schulselbstverwaltung ein vollständig funktionierendes System ist. Doch sie schafft zweifellos Fortschritte und bietet viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass wir die bestehenden Probleme nicht vergessen – sondern sie mit Engagement und Initiative selbst angehen.

Sowohl in Georgien als auch in Deutschland gibt es engagierte Jugendliche, die Verantwortung übernehmen wollen und überzeugt sind, dass sie ihre Realität verändern können. Unabhängig von allen Vor- und Nachteilen der Schülervertretung bleibt die wichtigste Frage: Erreicht die Schülervertretung ihr Ziel – nämlich Schülerinnen und Schüler an schulischen Entscheidungen zu beteiligen? Ich persönlich hatte das Glück, das Gefühl von Stolz zu erleben, wenn ich etwas ändern oder jemandem helfen konnte. Dieses Gefühl sollte jede Schülerin und jeder Schüler erfahren dürfen – nicht nur Klassensprecher. Wenn Schule das schafft, dann funktioniert das System.

Und genau daran misst sich die Wirksamkeit schulischer Demokratie.

Tekla Jghamadze

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